FAST WIE AM AMAZONAS

Überwältigende Naturerlebnisse und Landgänge in einigen der spannendsten Länder Südamerikas prägen die Kreuzfahrt durch den Panamakanal.

Text und Fotos:  Gerhard von Kapf

Der Phönix ziert als Symbol für die Schönheit und das Glück den Rumpf der NCL Joy. Der renommierte chinesische Künstler Tan Ping entwarf die Verzierung des Kreuzfahrtschiffes mit dem mythischen Vogel.

Fastwie am Amazonas

Überwältigende Naturerlebnisse und Landgänge in einigen der spannendsten Länder Südamerikas prägen die Kreuzfahrt durch den Panamakanal.

Text und Fotos:  Gerhard von Kapf

Der Phönix ziert als Symbol für die Schönheit und das Glück den Rumpf der NCL Joy. Der renommierte chinesische Künstler Tan Ping entwarf die Verzierung des Kreuzfahrtschiffes mit dem mythischen Vogel.

Am Ende ist nichts überwältigender als die Natur. Beim Anblick des Regenwaldes verstummen die Gespräche, starren die Passagiere gebannt auf das undurchdringliche Grün, das sich links und rechts des Panamakanals bis ins vermeintlich Unendliche erstreckt. Die Passage der künstlichen Schifffahrtsstraße zwischen dem Pazifischen und dem Atlantischen Ozean ist der Höhepunkt einer Kreuzfahrt mit der Norwegian Joy von Orlando bis Los Angeles und noch beeindruckender als vermutet. Zwei Wochen sind die Gäste auf einer Strecke unterwegs, die neben sechs Seetagen Landgänge in einigen der spannendsten Länder Südamerikas ermöglicht. So läuft die Joy das kolumbianische Cartagena an, stoppt in Panama City, legt in Guatemalas Puerto Quetzal und den mexikanischen Städten Acapulco, Puerto Vallarta sowie Cabo San Lucas an.

Der Panamakanal allerdings ist einer der ganz großen Höhepunkte diese Tour. Er wird auch als das achte Weltwunder bezeichnet. Das mag übertrieben sein, doch ein technisches Meisterwerk ist er auf jeden Fall. Die 84 Kilometer quer durch Panama ersparen der Seefahrt bereits seit 108 Jahren die gefährliche Passage um das Kap Horn und einen Umweg von 15.000 Kilometern. Für die Kreuzfahrt-Branche dagegen ­stehen auf diesem Streckenabschnitt vor allem die unvergesslichen Eindrücke im Fokus und – auch wenn das ausgerechnet auf einem künst­lichen Wasserweg ein wenig paradox erscheinen mag – die Nähe zur ­Natur.

Über weite Passagen des Kanals dominiert das satte Grün des Regenwaldes. Kleine Strände mit roter Erde gehen direkt über in eine Vegetation, die jeden Zentimeter nutzt, um zu wachsen, zu blühen und sich dem Himmel entgegenzustrecken. Ein wenig entsteht sogar bisweilen der Eindruck, als befände man sich am Amazonas. Selbst wenn die Papageien fehlen, keine Affen in den Bäumen klettern und sich die ­Krokodile ­ohnehin an ruhigere Stellen in den Seitenarmen verdrückt haben, ist eines sicher: Wer noch nicht auf dem wasserreichsten Fluss der Erde unterwegs gewesen ist, hat spätestens jetzt ein neues Ziel.

Die NCL Joy allerdings kommt für eine Fahrt auf dem Amazonas schon aufgrund ihrer enormen Größe nicht in Frage. Bis zu 3804 Passagiere kann das 333 Meter lange Kreuzfahrtschiff, das in diesem Winterhalbjahr meist zwischen Atlantik und Pazifik unterwegs ist, an Bord nehmen. Das Publikum ist zum Großteil amerikanisch, und das spiegelt sich im Unterhaltungsprogramm wider. Entertainment ist elementarer Part einer Kreuzfahrt auf der Joy, wo auch tagsüber auf dem Pooldeck mal eine Karibikband spielt, danach ein DJ auftritt oder ein Wettbewerb um die schönste männliche Wade stattfindet. Abends spielen in den Bars teils exzellente Musiker wie die „Ocean Five“, und im Theater verblüfft das ukrainische Pärchen Slava und Yuliia mit einer so überragenden Seilakrobatik-Show, dass der Auftritt mit Ovationen im Stehen endet.

Gegensätze: Während im Teppanyaki-Restaurant Spaß und Entertainment angesagt sind, verspricht die Observation Lounge ruhige Momente – und einen Panorama-Blick aufs Meer.

Zwei Tage später lockt dann wieder der Regenwald. Direkt am Fluss und inmitten des Chagres Nationalparks liegt das Dorf der Embera, eines indigenen Volkes, das in Panama aus noch gut 7000 Menschen besteht. Es kann lediglich mit dem Boot erreicht werden, doch die Emberas sind gut organisiert und ein junger Einheimischer fährt die Gäste mit seinem motorisierten Langkanu durch den Regenwald. Diesmal geht es hautnah am Ufer entlang, an flachen Bäumen, ­deren Äste bis ans Wasser reichen, und an dichtem Schilf.

Flamingos und Papageien empfangen die Reisenden in Cartagena. Der Ausgang des kolumbianischen Hafens ist eine Mischung zwischen tropischem Park und zoologischem Garten.

Die Anlegezeiten sind auf dieser zweiwöchigen Route teils zu knapp bemessen. Beim ersten Stopp in Cartagena beispielsweise bleiben gerade fünf Stunden an Land – abzüglich der Zeit, vom Schiff zu kommen, und der halben Stunde vor der Abfahrt, in der die Passagiere wieder an Bord sein müssen. Immerhin hat NCL das Problem erkannt und versprochen, künftig generell die Anlegezeiten zu verlängern.

Speziell beim ersten Stopp dieser zweiwöchigen Kreuzfahrt in Cartagena hätten allerdings selbst zwei Tage Aufenthalt nicht ausgereicht, um die Stadt ausreichend genießen zu können. Die spanisch geprägte kolumbianische Hafenstadt mit ihrer imposanten Skyline zieht die Besucher ­bereits beim Einlaufen in ihren Bann. Das historische Zentrum schließlich ist ein einziges Fest der Farben. Opulenter Blumenschmuck und ­Palmen stehen auf den Balkonen der farbenfroh gestrichenen Häuser, knallbunt gekleidete Marktfrauen versuchen, Körbe voller Obst zu verkaufen. Üppig bepflanzte Plätze mit grün ­gestrichenen Bänken laden zu einer Pause ein, und die stets präsente lateinamerikanische Musik in den Fußgängerzonen lässt ahnen, dass der Ruf von Cartagena, die schönste Stadt Südamerikas zu sein, tatsächlich stimmen könnte.

 

Schon die Einfahrt in die Bucht von Cartagena ist faszinierend. Vorbei an einer einstigen Festung, legt das Schiff schließlich gut 30 Taxi-Minuten von der Altstadt entfernt an. Die Skyline allerdings gehört einem neueren Stadtteil, von dem die meisten Touristen nichts mitbekommen.

„Wir arbeiten schon seit 1984 mit Touristen“, sagt Claudio Chami, der „Lokal Chief“ des 120 Einwohner großen Dorfes: „Die Einnahmen helfen uns finanziell, gleichzeitig können wir so unsere Traditionen bewahren.“ Gut möglich, dass die jungen Leute ansonsten keine Lust mehr hätten, die traditionellen Trachten zu tragen. So aber sind in die Kurzvorträge über die Lebensweise der Embera, die Handarbeiten, die Tänze und die Zubereitung der kleinen Mahlzeit – gebratene Fischfilets und frittierte Bananen – die meisten Einwohner eingebunden.

Mehr Auswahl gibt es, wenn die Passagiere wieder an Bord sind. NCL ist bekannt für vielseitige und vor allem sehr gute Küche – und dafür, dass die Kreuzfahrer keine festen Tischzeiten einhalten müssen. So können die Gäste auf der Joy ­neben dem opulenten „Garden“-Buffet auch spontan zwischen den beiden niveauvollen ­Servicerestaurants Savor und Taste wählen ­sowie dem deutlich größeren Manhattan. Hier wird ebenso am Tisch bedient wie in den aufpreispflichtigen Spezialitäten-Restaurants, die mit ­edlem Ambiente glänzen und französische Küche, Meeresfrüchte, Steaks oder italienische Speisen auf hohem kulinarischem Niveau servieren.

Auch Pelikane lieben die Früchte des Meeres, insbesondere, wenn man sie ihnen schon fast auf dem Silbertablett darbringt wie am Strand von Acapulco. Das Spektakel ist unglaublich und ­keine 500 Meter von der Anlegestelle entfernt: Zehn Fischer ziehen in kräftezehrender Arbeit ein gewaltiges Netz von Hand an Land, während sich gut 100 Pelikane kurz vor dem endgültigen Einholen auf die nun zusammengepferchten ­Fische stürzen, als würde sich plötzlich das Tor zum Schlaraffenland für sie öffnen, als wäre der Moment eine Einladung, mit dem langen Schnabel nun die besten Stücke herauszupicken. ­Keine Frage, dass es die Fischer nun eilig haben, das Netz an den Strand zu ziehen. Es ist ein Wettkampf, der sich tagein, tagaus gleich mehrfach wiederholt – und mindestens so spannend ist wie der Besuch bei den legendären Klippenspringern.

Ein täglich wiederkehrender Kampf: Pelikane versuchen, den Fischern die dicksten Brocken wegzuschnappen, bevor das Netz sicher an Land ist.

Julio Cesar Laurenzo allerdings würde da heftig widersprechen. Der 40-Jährige ist einer der erfahrensten Klippenspringer von Acapulco. „Klippenspringer zu sein, das ist bei uns eine Familientradition“, sagt er mit spürbarem Stolz: „Schon mein Großvater hat mich in die Geheimnisse eingeweiht.“ Viermal täglich ist Showtime. Die Springer klettern bis zu 26 Meter hoch auf den Felsen mit der kleinen Marienkapelle, während unten, auf den Plattformen und Treppen, Hunderte Zuschauer bereits beim waghalsigen Aufstieg bangen. ­Immer größere Spannung baut sich auf, wenn einer der Springer die Schultermuskulatur lockert, danach reglos in extremer Konzentration auf einem der schmalen Absätze steht, die Arme nach vorne hebt und sich plötzlich vom Felsen abstößt. Erst wenn er sicher per Hecht ins Wasser eingetaucht ist, entlädt sich die Anspannung in erleichterten Jubel.

„Als 15-Jähriger bin ich erstmals gesprungen“, sagt Julio: „Seitdem arbeite ich hier als Profi.“ Dass der Beruf Klippenspringer nicht ungefährlich ist, hat er vor Kurzem wieder einmal am ­eigenen Leib erlebt. „Ich bin beim Hochklettern an einem glitschigen Felsvorsprung abgerutscht und für Sekunden nur noch mit einem Finger am Fels gehangen.“ Ein paar Tage Pause brauchte er nach dem Schock und stieg dann wieder hinauf. „Das ist schließlich mein Beruf“, sagt er und unterschreibt nach seinem Sprung gut gelaunt die Souvenir-T-Shirts für die Touristen.

Nervenkitzel gibt es auch an Bord der Joy. Die steile Wasserrutsche mit einem Looping weit über der Bordwand ist spektakulär, doch vor allem der Einstieg über das lange Fallrohr fordert Überwindung. Motorsportfans dagegen lockt die zweistöckige Kart-Bahn. Insbesondere das Einfahren in die Außenkurven ist ein wenig gruslig: Der Blick schweift für den Buchteil einer Sekunde weit über das Meer, ehe man das Steuer nach links reißt. Ein Gefühl wie einst in der Achterbahn.

Nach Puerto Quetzal in Guatemala und dem mexikanischen Puerto Vallarta ist Cabo San Lucas der letzte Anlaufpunkt vor dem Ende der Route in Los Angeles. Die mexikanische Hafenstadt ist eines der attraktivsten Ziele dieser Kreuzfahrt. Die Stadt an der südlichsten Spitze der Baja California fasziniert mit dem Felsbogen El Arco in den Meeresklippen, der Playa del Amor und den nahe liegenden Buchten mit ihren hellen Sandstränden. Man kann nach einem kurzen Fußmarsch von der Anlegestelle der Tenderboote im Golf von Kalifornien baden oder nach einem weiteren viertelstündigen Spaziergang die Füße in den Pazifik strecken. Zwar ist Baden aufgrund der starken Unterströmung hier verboten, dennoch lohnt sich der Weg. Schließlich ist diese ­Seite der Halbinsel noch attraktiver als die ­gegenüberliegende und überrascht mit spektakulären, abgerundeten Sandsteinformationen, die an die Seychellen erinnern.

Es ist zudem ein nahezu exklusives Vergnügen, hier auf das Meer zu blicken, da auf dem breiten Strand nur eine Handvoll Menschen unterwegs ist. Erstaunlich ist das, aber umso bemerkenswerter. Auch im Rahmen einer Kreuzfahrt gelingt es immer wieder, besonders schöne Plätze dieser Erde ohne jeden Rummel und ganz in Ruhe zu genießen.

Wem Hollywood zu touristisch ist, der findet in Los Angeles in Venice Beach ein faszinierendes Wohnviertel mit vielen kleinen Kanälen. Oder läuft an der Strandpromenade entlang in Richtung des Muscle Beach, wo einst Arnold Schwarzenegger den Fitness-Boom auslöste und auch noch heute immer wieder vorbeijoggt.

Die Kirche der Jungfrau von Guadeloupe in Puerto Vallarta begeistert kunstsinnige Menschen mit Malereien von Daniel Lechón.

Anreise

Orlando ist ab Frankfurt nonstop in zehn Stunden erreichbar, der Rückflug ab Los Angeles dauert etwa eine Stunde länger. Preis bei Lufthansa zwischen 850 und 1200 Euro. Eine ungefragte Umbuchung auf Eurowings Discovery ist möglich.

Einreise in die USA und die jeweiligen Häfen

Das für die USA obligatorische ESTA-Zertifikat ist notwendig, in Bezug auf Corona-Zertifikate müssen unbedingt die aktuellen Bestimmungen erfragt werden.

Die Norwegian Cruise Line bietet auf verschiedenen Schiffen Kreuzfahrten durch den Panama­kanal an.

Preisbeispiel

11 Tage Innenkabine ohne Flug 1135 Euro p. p.,
mit Getränke-, Internet-Paket, Spezialitäten-
restaurants und 50-Euro-Ausflugsgutschein pro
Hafen 1434 Euro. www.ncl.de.

Tipp

Ausflüge entweder schon zu Hause oder im Falle von hohem Bordguthaben unmittelbar nach dem Einschiffen buchen. Vieles ist danach ausverkauft.

Beste Reisezeit

Von Dezember bis März.